Im BauernhausMuseum vom 24. Juli bis 18. Dezember 2022

Landschaft mit Rapsfeld und Weg

Fortschritt bezeichnet grundlegende Verbesserungen durch bedeutende Veränderungen bestehender Zustände oder Abläufe in menschlichen Gesellschaften, die meist positiv gesehen werden. Als eine solche Erfolgsgeschichte kann auch die Vereinnahmung der Landschaft durch den Menschen beschrieben werden, die seit den bescheidenen Anfängen in der Jungsteinzeit vor 7.000 Jahren immer größeren Umfang annahm und aus der Natur eine Kulturlandschaft machte. Doch diese Veränderungen hatten Schattenseiten: dramatische (negative) Folgen für Ökosysteme, Pflanzen- und Tierwelt.

Zunächst hatten die wenigen Siedler nicht viel mehr als überschaubare Hausflächen, die lediglich mit von ihnen erwünschten oder geduldeten Pflanzen bewachsen waren. Ihre Arbeitsweise war rein mechanisch. Ackerflächen waren noch klein, häufig wurden sie nur wenige Jahre oder nur in bestimmten Jahreszeiten genutzt. Die Nutztiere suchten sich ihr Futter selbständig auf extensiven Flächen. Trotz vieler Rückschläge wurde die menschliche Besiedlung mit den Jahrzehnten immer dichter.

Die Wiederaufbauphase nach dem 30-jährigen Krieg, durch den die Ausdehnung des menschlichen Lebensraums rückläufig war, ging in eine Phase des Landesausbaus über. Den finalen Abschluss erreichte dieser Prozess mit den „Markenteilungen“ um 1800. Der Staat setzte die Privatisierung aller Allmenden durch, dem letzten Viertel der Bodenflächen. In dieser Phase zeigte sich wie im Zeitraffer, was früher über Jahrzehnte und Generationen hinweg abgelaufen war. Die Flächen, eine Mischung aus Grasplätzen, wenigen größeren Bäumen (Eichen und Buchen) und vor allem Sträuchern änderten ihr Antlitz innerhalb von wenigen Jahrzehnten radikal.

Diese Landschaftseingriffe gingen im 20. Jahrhundert weiter. Die Flurstücke wurden größer, Hecken und Waldstücke verkleinert oder begradigt. Das Vieh blieb im Stall oder man gab ihm eingezäunte Weiden. Auf Feldern wuchs nun auch Futter, was effizienter war, als die eigenständige Nahrungssuche der Tiere. Was am Ende des 20. Jahrhunderts als kaum berührte Natur erscheinen mochte, hatte sein Aussehen weitgehend durch Eingriffe des Menschen erhalten.

Weniger offensichtlich hatte Ende des 19. Jahrhunderts noch eine Entwicklung eingesetzt, die immer ausgeprägtere Folgen zeigte: Schon die Gewannfluren des Mittelalters hatten Nährstoffzufuhr durch mit tierischem Dünger versetzter Erde erfahren. Seit dem späten 19. Jahrhundert erfolgten jedoch Neuerungen in dichter Folge, die in die chemischen Prozesse der Natur eingriffen: Guano, Kainit, Thomasmehl, Stickstoffdünger.

In den 1960er Jahren wurde die Feldbestellung auf maschinelle Technik umgestellt, die große Felder möglich und nötig machte; „Pflanzenschutzmittel“ (Herbizide, Fungizide) wurden flächendeckend eingeführt. So entstanden „Agrarwüsten“, die nur noch eingeschränkt Lebensraum für Pflanzen, Tiere und Menschen sind. Die Entwicklung kennt kaum ein Halten: Genveränderte, patentierte Pflanzen drohen alte, im Ursprung vielfältige und diverse Sorten zu verdrängen. Verkehrs- und Industrieflächen wachsen immer weiter in die Landschaft; ja die Felder werden in letzten Jahrzehnten für Zwecke der Energiegewinnung zerschnitten und versiegelt, die Landschaft durch Windräder „verspargelt“.

Begleitveranstaltungen

Natur und Landschaft in Westfalen-Lippe vor 100 Jahren – Tiere, Pflanzen und die ersten Naturschutzgebiete – Eine Bildereise durch Nordwestdeutschland, mit Dr. Bernd Tenbergen, LWL-Museum für Naturkunde, Münster
Sonntag, 25.9.22, 15.30 Uhr, Eintritt frei

Von Höfen, Hufen und Kotten – Vormoderne ländliche Siedlung im Raum Bielefeld, mit Roland Linde, Historiker und Publizist, Detmold
Sonntag, 2.10.22, 15.30 Uhr, Eintritt frei

Ist der Gute Heinrich noch zu retten? – Kulturlandschaft nach historischem Vorbild im LWL-Freilichtmuseum Detmold, mit Agnes Sternschulte, Wissenschaftliche Referentin LWL-Freilichtmuseum
Sonntag, 9.10.22, 15.30 Uhr, Eintritt frei

Sieke, Wellen, Röthekuhlen. Flurnamen im östlichen Westfalen und ihre vergessene Bedeutung, mit
Gisbert Strotdrees, Münster, Redakteur beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Dienstag, 18.10.22, 16.00 Uhr, Eintritt frei

Das Sterben der anderen: Wie wir die biologische Vielfalt noch retten können
Buchvorstellung
Tanja Busse, Autorin, Hamburg
Sonntag, 30.10.22, 11.30 Uhr, Eintritt frei

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